Ein persönlicher Bericht über die konstituierende Kreistagssitzung am 08.07.2024 im Landkreis Elbe-Elster
Der Alptraum. In der Nacht vor meiner ersten Sitzung als Kreistagsabgeordnete von HerzbergZählt quält mich ein Alptraum. Ich komme zu spät zur Sitzung. Ohne glaubhafte Erklärung.
Weil ich Alpträume ernst nehme, plane ich meinen Tag durch, um genau das zu verhindern. Also fahr ich überpünktlich los Richtung Falkenberg. Wohlwissend, dass die Falkenberger Straße schon im Stadtgebiet gesperrt ist, fahre ich über ein paar Schleichwege. Das kostet Zeit.
In Gräfendorf dann die Erkenntnis, dass sich noch eine Baustelle mit Vollsperrung auf der Stecke anschließt. Das Ende nicht ein- und absehbar. Also auf durch Wald und Wiesen Richtung Beyern. Die Zeit läuft. Vor mir ein flotter weißer Transporter, der den Durchblick hat. Mitten im Kiefernwald bremst er. Fährt rechts ran. Ich erkenne das polnische Kennzeichen aus Zischlauten und Konsonanten. Der Blick zum Fahrer verrät: Er fühlt sich gerade genauso verloren wie ich. Mist!
Ich übernehme die Führung durch dieses weitläufige und wunderschöne Terra Incognita. Wo war ich? Die Zeit wird knapp. Da endlich ein Schild. Lutherweg. Darunter: Falkenberg zehn Kilometer. Noch acht Minuten. Dann Asphaltierung. Bisschen später Bebauung. Beyern? Ja, das sah ganz danach aus. Fünf Minuten. Bis Buffalo? Nein, bis Falkenberg. War das zu schaffen. Eine Minute vor der vollen Stunde stürme ich ins Haus des Gastes. Ich bin vor meinem eigenen Alptraum geflüchtet, und ja, ich war schneller als er. Guter Start!
Erste Fraktionssitzung mit der CDU. Ich fühle mich noch etwas verloren, so als Freischaffende. Den Vorsitz hat Dr. Sebastian Rick. Noch heute Vormittag habe ich mit seiner fast 600-Seiten-starken Dissertation zur Entwicklung der SED-Diktatur gearbeitet. Mein Thema: Selbstmorde und Kollektivsuizide in der Region zum Kriegsende. Auch da hat er Pionierarbeit geleistet. Der Artikel für den neuen Heimatkalender ist dank ihm rund geworden. Dirk Ebenroth sitzt mir gegenüber, ein vertrauter Herzberger. Und dann kommt der Landrat herein. Ein paar Minuten nach mir. Hatte auch er die Route „Elbe-Elster via Straßensperrung und Schleichwege“ genommen? Mir wird trotz Klimaanlage ein bisschen wärmer ums Herz. Wir besprechen sorgfältig die 28 Punkte umfassende Tagesordnung. Sebastian Rick moderiert souverän, fair und freundlich. Seine regionalgeschichtlichen Vorträge kommen mir in den Sinn. Sachlich, ruhig und inhaltlich fundiert waren sie immer. Er würde einen guten Vorsitz für den Kreistag abgeben. Die Wahl steht unmittelbar bevor. Ein paar letzte Absprachen und auf in die Sitzung.
49 Abgeordnete aus Elbe-Elster stimmen ab. Der neue Kreistag ist kleinteiliger, und von außen betrachtet, vielleicht unübersichtlicher. Die Mehrheitsverhältnisse sind anders und neu gemischt, da die AfD mit 14 Abgeordneten stark ist wie nie zuvor.
Der Vorsitz des Gremiums hat Symbolkraft und trägt eine große repräsentative Bedeutung in sich. Vorgeschlagen werden die Abgeordneten Sebastian Rick (CDU/Hz), Thomas Ruschin (AfD) und Iris Schülzke (LUN/UWG/Oec) von ihren jeweiligen Fraktionen. Sie bekommen im ersten Wahlgang 22, 16 und elf Stimmen. Damit verfehlen alle die absolute Mehrheit von 26 Stimmen. Die Stichwahl entscheidet zwischen Sebastian Rick und Thomas Ruschin. Mit 27 Stimmen nimmt schließlich Sebastian Rick den Platz des Vorsitzenden ein, Ruschin unterliegt mit 17 Stimmen. Zu den Stellvertretern werden anschließend Iris Schülzke und Anja Schwinghoff von der FDP von uns Abgeordneten gewählt. Gegenkandidat war beide Male der aus Berlin stammende AfD-Abgeordnete Thomas Ruschin.
IIch bin erleichtert, dass im Präsidium des Kreistages jetzt Menschen Platz nehmen, die schon reichlich Zeit, Nerven, gute Ideen und viel Arbeit in Elbe-Elster investiert haben. Ihre innere Verbundenheit, die echt und zig Mal durch Zupacken und Einsatzfreude unter Beweis gestellt ist, lässt mich ein klein bisschen stolz werden. Darauf, dass wir auch in haarigen Zeiten abstimmen, zusammenarbeiten und dadurch einen Schritt weiterkommen.
Ich beschließe, mich selbst und meine Kollegen im Kreistag weiterhin ausschließlich an dem zu messen, was ich und sie schon für Elbe-Elster, ganz besonders außerhalb des Wahlkampfes, konkret auf die Beine gestellt haben.
Denn die Katze im Sack, selbst wenn sie schnurrt, ist eine Meisterin des falschen Spiels und der Täuschung. Und diese besagte Katzenfreundlichkeit ist mein wirklicher Alptraum.